Bertis Bücher

Wenn ihr diese Geschichten lest, dann gehe ich stark und freudig davon aus, dass ihr das Lesen sehr mögt. In Käsbrück hatten es die Katzen auch gern, in andere Welten entführt zu werden und einer liebte es ganz besonders; Berti Wurmschnauz. Berti war ein alter Kater und hatte schon viel erlebt, viel gesehen. Oft war er alleine, seit seine geliebte Berta nicht mehr da war. Sie war an einer starken Mäusegrippe erlegen und seitdem hatte sich viel für den Berti geändert.

Nachdem er die Post von Narnel gierig verschlungen hatte, die Fenster geöffnet und die Sonne in seine alten vier Wände zu Gast kommen liess, drehte er das Schild von „Geschlossen“ zu „Geöffnet“. Berti lebte tief im Zentrum und oft wartete schon der eine und der andere auf seinen literarischen Einkauf. Ja, der alte Berti hatte sich seit dem Verlust von Berta entschieden, Bücher zu verkaufen. Für ihn war das das Beste. Den ganzen Tag hinter der
Theke zu sitzen und Geschichte für Geschichte zu beenden, bis der nächste Kunde angetrabt kam. Aber heute kam keiner. Es war ganz still.

Der Morgen verstrich so schnell wie er kam und brachte keine Kunden mit sich. Berti starrte oft nach draussen, wunderte sich über die Leere. „Was ist denn heute los? Ist das ein schlechter Scherz?“, dachte er sich. Es schien, als wäre die Welt stillgestanden. Kein Vogel sang, kein Wind pfiff, nur die einsame Stille blieb. Nach einer langen Weil entschied der alte Kater dann aber, nach draußen zu gehen und zu schauen, was denn eigentlich los war. Die Tür öffnete sich mit einem dumpfen Knarzen und Berti stand in der brennenden Sonne, in die Leere blickend. Der stickigen Luft seines Ladens war er entkommen, doch war er in der erstickenden Stille viel unwohler. Berti konnte manchmal ein sehr scheuer Kater sein, traute sich aufgrund dessen auch nicht, ein lautes Hallo in die Welt zu setzen. Lieber würde er jetzt mit Don Quijote gegen Windmühlen kämpfen, oder mit Bilbo Beutlin den roten Drachen erschlagen, doch war er in Käsbrück, so ganz alleine.

Den Strassen entlang war weit und breit keine Seele, auch in den kleinen Gassen, den grossen Alleen und ganz besonders die beliebten Promenaden waren heute so plötzlich verstummt, wo sie doch früher mit Freude und Stimmen gefüllt waren. Berti setzte sich an eine kleine Bank in der Nähe des Meeres, blickte in die weite Ferne und dachte an Berta. Er weinte nicht, nein, Berti weinte nur selten. Er lächelte und dachte an die schönen Momente, die er mit ihr verbracht hatte und wie gern er sie jetzt neben sich hätte haben wollen.

Nach einer kurzen Weile hörte er plötzlich ein Klingeln. Ich bin von fester Überzeugung, du könntest das nicht hören, denn Berti war nun über 3 Kilometer von seinem Laden entfernt, doch die Käsbrückner haben sich eben so entwickelt, dass sie ein Gehör mit einer Reichweite von 5 Kilometer haben. Das kann manchmal aber auch wirklich nerven, stell dir vor, du hörst alles von deinem Dorf zum nächsten. Da hätte ich Kopfschmerzen! Aber ihr Gehirn kann das irgendwie aussortieren, da musst du für weiter Informationen aber einen echten Käsbrückner fragen. Frag doch vielleicht deine Katze, sie wird von der wundervollen Welt von Käsbrück gehört haben. Aber zurück zu Berti: Es schien, als sei eine Katze mit 40 Sachen in seinen Laden gerollt und wartete soeben auf unseren Berti. Dieser hatte sich schon lange auf den Weg gemacht und versuchte so schnell es ging, den Weg zurückzulaufen. Von den wenigen Kunden, die er heute hatte, war ihm der einzige sehr wichtig.

Die alte Frau Wolkensaum hatte sich gerade ein neues Buch ausgesucht und wartete inzwischen auf den Verkäufer.
„Willkommen, Frau Wolkensaum. Wie kann ich Ihnen an diesem so stillen Morgen denn weiterhelfen?” „Ich habe gerade dieses Buch gefunden, ist das denn ein gutes Buch?“ Berti wartete kurz. Er hatte das Buch noch nicht gelesen. „Wenn ich ehrlich bin, und das bin ich gern, dann muss ich Ihnen leider gestehen, dass ich dieses Buch noch nie gelesen habe. Von dem, was ich gehört habe, ist es ein eher mittel-gutes Buch, aber es ist wichtig, dass Sie sich Ihre eigene Meinung bilden.“ Die alte Kätzin nickte. „Dann versuch ich’s doch! Es gibt nicht besseres, als am Faulen Sonntag ein neues Buch zu lesen! Sie sind der einzige, der mir die Tür geöffnet hat. Dafür bin ich Ihnen dankbar, Herr Wurmschnauz.“ Mit einem kurzen Gruss verliess sie schnell den Laden und machte sich auf den Weg nach
Hause. Das war also der Grund, wieso Käsbrück heute so tot schien! Berti lachte. Wieso sollte er denn heute nicht auch faul sein? Er öffnete das Grimm Märchenbuch dort, wo er stehengeblieben war, und verlor mit Aschenputtel den gläsernen Schuh.

Eine Geschichte von Manuel R. Jegerlehner

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